Begegnung mit Falkin Finja


Vor einigen Tagen lockte und zog es mich regelrecht nach draussen. In der Nacht zuvor stürmte es. Jetzt war alles ruhig und klar – ein traumhaft sonniger Frühlingstag im südenglischen Devon. Genüsslich singend spazierte ich entlang ergünender Hecken und sammelte erste Brennesselspitzchen und Bärlauchblätter. Bis ich plötzlich erstarrte und meinen Augen nicht traute: Ein wunderschönes Turmfalken Weibchen, direkt vor meinen Füssen. Wie angewurzelt blieb ich stehen. So sehr ergriffen, wagte ich kaum zum atmen und schon gar nicht, mich zu bewegen.

 

Auch die Falkin bewegte sich nicht. Wir schauten uns in die Augen. Ein zeitloser Moment. Wie bei einer Begegnung mit einem Menschen, den man zum ersten Mal trifft und das Gefühl hat, sich bereits ewig zu kennen. In meinem Herzen schlugen die intensivsten Gefühle. – Es brauchte einen Moment, mich zu sammeln. Und dann war klar: Sie ist verletzt. Vorsichtig begann ich mich zu bewegen. Und nun sah ich, dass ihr linker Flügel zur Seite abstand. Sie liess mich näher kommen und bewegte einzig den Kopf, während sie mich weiter mit ihren Augen fixierte.

 

Meistens habe ich auf meinen Spaziergängen kein Handy dabei. Doch an diesem Tag hatte ich es glücklicherweise eingepackt und auch gerade noch genügend Akku. Über verschiedene Telefonate und Kontakte erhielt ich nach einer Weile die Telefonnummer von einer lokalen "Bird Lady", die anscheinend genau wusste, was hier zu tun war. – Nun galt es nur noch einen Weg zu finden, die Falkin zu ihr zu bringen. An dem kleinen Bauchlauf, wo sie gestrandet war, ging ein kleines Schottersträsschen entlang. Bald kam ein erstes Auto. Ich hielt es an und die Fahrerin, eine Bäuerin aus der Gegend, sagte, sie müsse zuerst ihr Paket auf die Post bringen, dann könne sie helfen.

Ich hoffte, dass vielleicht schon vorher ein anderes Auto vorbeikommen würde – und nach einer Weile hörte ich tatsächlich erneut Motorgeräusche. Die junge Fahrerin hatte jedoch keine Zeit, sie verwies auf die nächstliegenden Bauernhöfe und meinte, dass der Vogel wahrscheinlich sowieso sterben würde. Dann fuhr sie weiter.

 

Ich schaute die junge Falkin an: Für mich war sie dem Leben näher als dem Tod. Mit rechtzeitiger Hilfe hätte sie eine Chance.

 

Nun waren wir also wieder zu zweit. Ich hoffte, dass es sich die Bäuerin nicht anders überlegt hatte und bald von der Post zurückkommen würde. Das Warten war kribbelig. Und gleichzeitig war da auch ein segensreicher Raum der Begegnung. Im Nachhinein bin ich sehr dankbar dafür, dass es diesen Raum gab.

Deborah, die Bäuerin, kam nach einer Weile zurück. Und dann ging alles wunderbar. Finja – so möchte ich die Falkin gerne nennen – liess sich ohne Weiteres in eine Decke einhüllen, ins Auto tragen und war auch über die Fahrt hinweg wach und gleichsam ruhig.

 

Die 85 jährige "Bird Lady" empfing Finja mit überschwänglicher Fürsorge und beeindruckender Flinkheit. Unsere junge Patientin liess die Behandlung ihres Flügels unaufgeregt geschehen und bekam auch gleich ein paar Delikatessen. Wir freuten uns über ihren überaus gesunden Appetit. Sie sei ein kräftiges junges Turmfalken Weibchen, geboren im letzten Sommer. Die Verletzung deutete auf ein Verhedderung in einem Stacheldraht hin. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Sturm. Mit etwas Pflege würde ihr Flügel in wenigen Wochen heilen.

 

Die Begegnung mit diesen drei besonderen "Ladies", Finja, Deborah und Irene, berührte mich sehr. Finja geht es inzwischen wunderbar und nach einigen weiteren Tagen in Irenes Pflege, werden wir sie wieder frei lassen können in ihr angestammtes Revier. Hier gibt es Bäche, Waldränder, Hecken, alte Einzelbäume und schöne alleinstehende Sträucher.

 

Ich freue mich auf weitere Spaziergänge und Momente in dieser schönen Natur. Im Wissen, dass auch Finja hier zu Hause ist.

 

Danke für die Begegnung.

 

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Ardavië | Sabina Saviera | info@ardavie.ch

 

 

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